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›Münchner Neueste Nachrichten‹ vom 5. Juli 1897. Die Anzeige wurde vermutlich von May selbst aufgegeben.
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Herr Dr. Karl May
(Old Shatterhand)
der berühmte Weltreisende und Schriftsteller ist hier Hôtel Trefler abgestiegen und auf unsere Bitte dort, aber nur nach vorheriger Anmeldung per Postkarte, *152'595
Montag Nachmittag 3 bis 6 Uhr,
für seine Leserinnen und Leser zu sprechen.
Mehrere seiner Verehrer.
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›Bayerischer Kurier und Münchner Fremdenblatt‹ vom 6. Juli 1897. Die konservativ-katholische Zeitung erschien von 1856 bis 1934.
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Karl May in München.
Am Montag [= 5. Juli] Nachmittags versammelte sich von 3 Uhr ab eine große, im Ganzen mehrere Hundert Personen zählende Menge von Verehrern des rasch zur Berühmtheit emporgestiegenen Weltreisenden und Schriftstellers Dr. Karl May im Speisesaal des Hotels Trefler, um dem beliebten Reiseroman-Schriftsteller von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten, um ihm ihre Huldigung darzubringen. Nicht etwa blos die studierende Jugend, nein, sondern viele gereifte Männer und auch zahlreiche Damen waren im Auditorium zu bemerken. Dr. May, der bekanntlich alle 5 Welttheile bereist und nun seine Reisen in einem Stile beschrieben hat, der Wahrheit und Dichtung in anmuthender, packender Form vereint, schilderte Nachmittags in ausführlicher Weise einzelne Episoden aus seinen Reisen, verlas chinesische Texte und stand Rede und Antwort auf alle Fragen, die man aus dem Kreise der Zuhörer an ihn stellte. […] Auch von seinen Reisen, sowohl den bereits gemachten als den noch geplanten (2) Reisen gab Redner Manches zum Besten. So theilte er mit, er werde heuer im Herbste von Dresden aus seine 22. Reise und zwar nach Nordamerika antreten, das Grab seines treuen Waffengenossen und ehemaligen Feindes Winitou besuchen und dann seine wunderbare Henry-Repetirbüchse, mit der er nach seiner Versicherung 100 Schüsse per Minute abzugeben vermag, ohne daß der Lauf heiß wird, dem deutschen Kaiser für Militärzwecke zur Verfügung zu stellen. […] Das Kaliber der Geschosse soll so klein sein, daß Karl May in seinem Patronengürtel 1728 Patronen (!) mit sich zu führen vermag. […]
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Leserbrief Karl Mays an den ›Bayerischen Kurier‹ vom 7. Juli 1897. Die Abbildung zeigt eines der Kostümfotos, die May 1896 / 1897 anfertigen ließ.
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Hochgeehrter Herr!
Soeben kommt mir Ihr § Referat in die Hände. Um Mißverständnissen vorzubeugen, gestatte ich mir die Bitte um Aufnahme folgender Bemerkungen in Ihr geschätztes Blatt:
Ich habe vor militairischen Autoritäten allerdings 100 Schüsse aus meinem Henry-Stutzen abgegeben, doch nicht in einer Minute. Ferner faßt mein Patronengürtel allerdings 1728 Patronen zu diesem Gewehr – – für monatelangen Gebrauch in der Wildniß; für Soldaten aber würde es unmöglich sein, einen solchen Vorrat mit sich zu führen.
Mit vorzüglichster Hochachtug
ergebenst Dr. Karl May
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›Bayerischer Kurier und Münchner Fremdenblatt‹ vom 10. Juli 1897
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Nachträgliches über Karl May.
Nach etwa achttägigem Aufenthalte in München hat Dr. Karl May nunmehr unsere Stadt wieder verlassen, um sich über Regensburg in seine Heimat zurückzubegeben. Anfangs verweilte der berühmte Autor hier unerkannt und nahm verschiedene Sehenswürdigkeiten in Augenschein. Sobald er aber einmal »entdeckt« war, da war es um seine Ruhe und Freiheit geschehen. […] Im Speisesaal des Hotel Trefler hielt Dr. May mehrmals vor Hunderten von Zuhörern und Zuhörerinnen stundenlange Vorträge über seine Reisen und beantwortete Fragen, die aus dem Auditorium an ihn gerichtet wurden. […] Nun erzählte mir Karl May manches aus seinem Leben, wie er so häufig in Lebensgefahr gewesen, wie ihn aber immer irgend ein geringfügiger Umstand oft in wunderbarer Weise gerettet habe.
Die von ihm geschilderten Personen haben alle wirklich existirt, und auch seine Abenteuer bezeichnete er keineswegs als Erfindung, wenn auch im Einzelnen manches habe anders gruppirt werden müssen, als es in Wirklichkeit geschah. Auf Amerika übergehend, das er schon mehr als zwanzigmal bereist habe, schilderte er mir vor allem den edlen Charakter seines unvergeßlichen Freundes Winnetou, der im September 1874 im Alter von 34 Jahren gestorben sei. Alle Westmänner, wie Old Firehand, Old Surehand, Sam Hawkens, Pitt Holbers, Dick Hammerdull, Emery Bothwell und wie sie alle heißen, seien jetzt »ausgelöscht«, und fast alle seien, wie Winnetou, eines gewaltsamen Todes gestorben, er selbst der Schar der »Westmänner« der Einzige Ueberlebende. […]
Unterdessen hatte sich auf der Straße und dem Trottoir vor dem Hotel Trefler eine wohl hundertköpfige Schaar von Lateinschülern eingefunden und als Karl May auf den Balkon trat, da wurden Hüte und Tücher geschwenkt und man sah es den Jungen an, wie stolz sie darauf waren, vor »Old Shatterhand« stehen zu dürfen. Als aber in seinem Auftrag der Portier Visitenkarten vertheilte, auf die Karl May seinen Namen geschrieben hatte, da kannte die Freude seiner jugendlichen Verehrer keine Grenzen mehr. Mir aber, und wohl Allen, die in diesen Tagen mit Dr. May zusammentrafen, war es eine große Freude und wird es eine bleibende Erinnerung sein, den Mann, der die ganze Welt bereist hat, der über 1200 Sprachen und Dialekte versteht, den letzten Vertreter der Romantik des wilden Westens von Angesicht zu Angesicht gesehen zu haben.
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Karl May am 27. Juli 1897 an seinen Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld (1853–1933)
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Lieber Herr Fehsenfeld!
[…]
Dann werden Sie die Münchner Blätter gelesen haben: »Karl May in München«: Erster Tag: über 900 Besuche, zweiter Tag über 600 dritter wieder über 800. […] Dann standen die Gymnasiasten, um Autogramms zu erjagen, in solchen Massen vor dem Hôtel Trefler, daß die Tramway nicht hindurchkonnte und der Portier sie mit dem Schlauch auseinanderspritzen mußte. Thatsache!!! In dieser Weise ging es überal[l], durch Bayern und Böhmen bis heim.
[…]
Herzl. Grüße von Haus zu Haus!
Ihr May.
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Karl May am 12. August 1897 an seinen engen Brieffreund Emil Seyler (1845–1926)
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Mein herzlieber Winnetou!
[…]
Als wir von Euch fort waren, war es uns, als hätten wir unser eigenes Heim verlassen. Von da an erging es mir noch viel schlimmer als vorher. In Stuttgart und Insbruck ließen mir die Leser keine Minute Ruhe. Am Schlimmsten aber war es dann in München, geradezu unglaublich! Am ersten Abend entdeckte mich ein dortiger Buchhändler im Hotel und ließ es ohne mein Wissen in die Zeitungen setzen, daß »May da sei«. Am anderen Mittag hatte ich schon über 600 Briefe und Karten mit Besuchsanmeldungen. Von Nachm. 2 bis Abends 1 Uhr gegen 900 Besuche, am nächsten Tage über 600, am folgenden über 800; dann riß ich aus. Während ich hunderte von Lesern (hohe Offiziere, Grafen, Barone mit ihren Squaws bis herunter zum Arbeiter) im Saale hatte, mußte ich alle zehn Minuten auf den Balcon treten, um mich der unten stehenden Menge zu zeigen und sie zu grüßen. Glaube mir, so unglaublich es ist, aber es wurde auch von den Zeitungen gebracht: Die kleinen Gymnasiasten pp standen so dicht vor dem Hotel, daß die Tramway nicht durchkonnte und es keine andere Hülfe gab, als per Wasserschlauch auseinanderzuspritzen. Die Zeitungen sagten, selbst der Prinzregent habe in München nie so ein Aufsehen erregt wie May. Ich bin halbtodt nach Hause gekommen und sogleich mit erdrückender Arbeit überschüttet worden. Aus den Augen kann ich sehen, ja, aber athmen kaum.
[…]
Dein alter
Charley.
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Karl May am 22. September 1897 an seinen Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld (1853–1933)
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Lieber Herr Fehsenfeld!
[…] In München war es ganz toll. Ein Buchhändler ließ es in die Blätter setzen, daß ich da sei. Die Folge war 1ᵗᵉʳ Tag von Nachmittag 2 – Nachts 1 Uhr über 900 Besuche, 2ᵗᵉʳ Tag über 600, dritter Tag wieder ca. 900, außer den Klöstern und Gymnasien, wohin ich eingeladen wurde. Es war kein Platz mehr im Saale; auf der Straße standen die Leser zu hunderten; ich mußte alle 10 Minuten auf den Balkon, um die Leute wie ein König zu begrüßen. Endlich konnte keine Pferdebahn mehr durch; der Polizei achtete man nicht, so daß die Menge schließlich per Schlauch auseinandergespritzt werden mußte. Das ist keine Unwahrheit; ich kann Ihnen die Zeitungsberichte vorlegen, in denen dies erzählt und dann gesagt wird, daß kein König und kein Prinzregent in seiner Residenz München solches Aufsehen erregt habe wie dieser eine Privatmann Dr. May.
[…]
Mit herzlichen Grüßen v. Haus zu Haus!
Ihr
stets ergebener
May.
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Karl May am 19. Mai 1898 an seinen Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld (1853–1933)
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Lieber Freund!
[…]
München. […] Kaum bin ich ins Hôtel getreten, so kommt der Adjutant, mich an den Könglichen Hof zu bitten. Großartige Audienz, mehrere Stunden lang; sämmtliche Mitglieder des Königshauses da. Alles liest May! Einladungen zum Diner beim Fürsten v. Oettingen, der Fürstin Metternich etc. May-Klubb, wieder tausende von Lesern etc. etc. nach 8 Tagen heimlich ausgerissen.
[…]
Nun aber Gruß, Kuß, Schluß, denn sonst Verdruß!
Ihr
May.
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Aus Karl Mays Tagebuch der Orientreise (März 1899 bis Juli 1900)
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29. Juli 1900. Nach München. Hotel Leinfelder. Nach Tische kam der Herzog Paul von Mecklenburg zu mir. Wohnte zufällig auch da.
30. Juli 1900. München. Bei Weigl gewesen. War verreist. Paul Mecklenburg kam mit seinem Bruder Borwin. Morgen 8,42 geht es heim. Mutters Geburtstag.
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Ernst Weber, ›Karl May. Eine kritische Plauderei‹ (1903)
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»Karl May – Old Shatterhand – ist da!«
So las ich vor einigen Jahren unter den Annoncen der Münchener Neuesten Nachrichten und einige Zeilen tiefer, daß ihn Freunde und Bewunderer nach vorheriger schriftlicher Anmeldung im Hotel Trefler sehen und sprechen könnten. […] Dort im Treflerschen Hotel wies man uns in den kleinen Saal des ersten Stockes, und da fanden wir ihn, den vielbesungenen Helden seiner eigenen Romane, Karl May, Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi Effendi – oder wie ihn sonst noch der wilde Westen oder die Blumensprache des Orients benamsen mochte – da stand er nun leibhaftig vor uns, umringt von einer mehr als hundertköpfigen Jungenschar, vom kleinsten, nur wenig über einen Meter hohen Lateiner bis zum langaufgeschossenen Primaner mit dem ersten Flaum auf der Oberlippe. Das wogte hin und her, das lachte und scherzte, um plötzlich zu verstummen, wenn der kleine, untersetzte Mann […] das Wort ergriff und mit lebhaften Gestikulationen und krampfhaften Verzerrungen der Gesichtsmuskeln erzählte von gräßlichen Abenteuern mit dem Löwen der afrikanischen Wüste oder mit dem furchtbaren Grisly Nordamerikas. […]
Und in der Tat: Old Shatterhand hielt mit nichts zurück, sondern erzählte uns von allem Möglichen und zwar im buntesten Wechsel, von einem Gebiet ins andere überspringend, ohne daß es mir gelungen wäre, irgendwelche Associationspunkte zu entdecken, von den intimsten Dingen, die ihm persönlich Seele und Leib berührten, von seiner Brautwerbung, wie von seinen Mahlzeiten, von erlebten Gefahren und Abenteuern […].
Der Mann schien mir zuerst ein psychologisches Rätsel. Dann nach etwa zwei Stunden stieg ich auf – mein Freund lachte und sprach etwas von »Blauwerden« – ich aber ging, ärgerlich über den Mann, den ich nun endlich persönlich kennen gelernt hatte, und noch ärgerlicher über mich selbst, den die Mayschen Schriften so lange fesseln konnten. Und ich begann ernstlich über den »Schriftsteller« nachzudenken, nachdem ich von dem »Menschen«, den ich so lang bewundert hatte, so bitter enttäuscht gehen mußte. […]
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Max Casella, ›Dem Freund meiner Jugend‹ (in: ›Karl-May-Jahrbuch 1921‹) -
Bei der Gelegenheit fällt mir eine persönliche Begegnung mit Karl May ein, die ich am 5. Juli 1897 (in meiner Jugendzeit) im Hotel Trefler in München hatte: er war hier, nach Ankündigung in einer Tageszeitung, für seine Leser auf der Durchreise zu sprechen. Ich führte damals ein Tagebuch (Jugenderscheinung!) und nach den noch am gleichen Abend gemachten Einträgen verlief die dieser Unterredung folgendermaßen: Eine Menge von Leuten, besonders ganz junge Schüler, waren erschienen, allen stand er Rede und Antwort. Er erzählte zwischenhinein von seinen Reisen und behauptete, nun zum 22. mal nach Amerika zu gehen. Ich fragte ihn, weil mich das damals erklärlicherweise am meisten bewegte, ob seine Schilderungen auch alle wahr seien! Er erwiderte, jedes Erlebnis, jede Gefahr entspräche der Wahrheit, nur wie der Maler den Pinsel brauche, ihn in die Farbe tauche usw., so verfahre auch er. Er wolle nicht dürr und trocken, brockenweise erzählen, darum verwebe er manchmal zeitlich nicht zusammenfallende Erlebnisse und knüpfe sie frei aneinander. So seine Worte. Er kehre nun wieder zu den Apatchen zurück und dort könne er 35000 Mann befehligen an Stelle Winnetous, wenn er hinüberkomme. Als Todestag Winnetous, des »Vorbild seiner Nation«, nannte er den 2. September 1874! Bei den Indianern könne man übrigens die »köstlichsten« Anekdoten schöpfen. –
Er wolle noch das Buch »Marah Durimeh« schreibe, dann dürfe seine letzte Stunde getrost kommen. Sein Ehrgeiz sei dahin gegangen, sich eine Million Leser zu erwarben, nun habe er deren schon zwei!
Er sei u.a. auch in Mekka gewesen (wohl kurz vorher), und damit man nicht glaube, er habe »Schwindel gemacht«, habe er sich erlaubt, einige Photographien von dort mitzubringen. (Er sprach dann noch einiges über Arabien, die Türkei, über Armenien, über die Zukunftsfrage der roten Nation usw.) Und wir jungen Leute gingen sehr zufrieden nach Hause!