München im Werk Karl Mays
Auch wenn May bei seinen Besuchen in München bejubelt wurde und die »Old-Shatterhand-Legende« hier einen ihrer Höhepunkte fand – im erzählerischen Werk Mays spielt München praktisch keine Rolle. Selbst auf den rund 3.000 Seiten des ›Waldröschens‹, das immerhin eine »Rächerjagd rund um die Erde« verspricht, taucht der Name der Stadt nur ein einziges Mal am Rand auf:
Am dreißigsten Juni erhielt der Kaiser von Oesterreich, welcher sich in München aufhielt, die Trauerbotschaft von der Hinrichtung Maximilians.
Eine weitere beiläufige Nennung findet sich in ›In den Cordilleren‹:
»Potztausend!« rief Pena. »Auch Sie sprechen deutsch, Fräulein Unica? Am Ende erfahren wir, daß Sie keine Indianerin sind, sondern aus München oder Wiesbaden stammen!«
Etwas ausführlicher wird München im Roman ›Die Sklavenkarawane‹ erwähnt, hier kommt es zu folgendem Dialog zwischen dem Ungarn Istvan Uszkar und dem Bayern Ignatz Pfotenhauer:
»Was? Wie? Ein Deutsches seinte Sie?«
»Ja, freilich!« antwortete der Graue in derselben Sprache.
»Woher?«
»Aus Bayern.«
»O, das seinte schön, das seinte gut! Ich warrr geweste auch in Land, bayrisches.«
»So! Das g’freut mich halt außerordentlich, wann’s meine Heimat kennen.«
»Ja, ich seinte gebliebte in München, wo ich hatt trunkte Bier, Sedlmeirisches; ich hatt dazu gegeßte Rettich, schwarzigen, und Würstel, senftigte.«
»Ja, a gutes Bier mit Rettich und auch Würstel, das ist bei uns zu haben; darauf versteht man sich bei uns in Bayern. […]«
Auch im Kolportageroman ›Der verlorene Sohn‹ findet sich eine Erwähnung – nun, nicht direkt von München, aber immerhin vom bayerischen Bier:
Er mag kräftig essen und ordentlich leben, dazu täglich sechs Liter bayerisches Bier; dann bekommt er Kraft und auch Muth, ohne Dich nur anzugucken.
Als einziges Werk nutzt der Kolportageroman ›Der Weg zum Glück‹ Bayern als Handlungsort – aber auch hier ist München nur in Namensnennungen präsent. ›Der Weg zum Glück‹ erschien in 109 Fortsetzungen von Juli 1886 bis September 1888 und ist der letzte von Mays fünf Kolportage-Romanen, die er für den geschäftstüchtigen Verleger H. G. Münchmeyer schrieb, für den der Tod Ludwigs II. von Bayern am 13. Juni 1886 willkommener Anlass war, May noch einmal zu einem umfangreichen Fortsetzungswerk zu überreden.
Ludwig II. taucht zwar immer wieder als handelnde Person und deus ex machina auf, aber davon, dass man hier, wie vom Untertitel versprochen, »höchst interessante Begebenheiten aus dem Leben und Wirken des Königs Ludwig II. von Baiern« erfährt, kann keine Rede sein. Der Roman spielt überwiegend in ländlich-provinziellen Gegenden Bayerns, Österreich und Böhmens, München ist nur am Erzählhorizont präsent. Hier wohnen, arbeiten oder studieren verschiedene Personen, gelegentlich fährt jemand nach München oder kommt von dort in die ländliche Idylle, doch die Stadt selbst wird vom Roman nicht betreten. München ist entweder die entfernte »schöne Hauptstadt« oder – wie für den eifersüchtigen Krickelanton – ein lockender Sündenpfuhl:
»Schnell? Wo willst denn hin?«
»Hinein ins München.«
»Ins München? Herrgott! Das ist nicht wahr! Leni, das kannst nicht vorhaben!«
»Ich muß, Anton. Es geht nun nicht anders.«
»Ins München hinein! In die Stadt, zu die lockern Buben, wo die Soldaten herumlaufen und die Dirndln verführen! […]«
In München kam es im August 1902 zum endgültigen Bruch zwischen Karl und Emma May, geb. Pollmer. Dieser Bruch – und damit auch München – wird von May in zwei späten, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, Werken erwähnt. Zum einen in ›Frau Pollmer, eine psychologische Studie‹ aus dem Jahr 1907, zum anderen in seinem letzten umfangreichen Text aus dem Jahr 1910, der Prozessschrift ›An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichts III in Berlin‹. Dort heißt es:
Wir machten den nächsten Halt in München. Dort gab es im Hotel Leinfelder die entscheidende Aussprache. Die Pollmer war mit der Scheidung einverstanden.
Allerdings unterschreibt Emma Pollmer die von May aufgesetzte Einwilligung in die Scheidung nicht in München, sondern erst eine Woche später auf der Mendel.